Work-Life-Balance ist ein Mythos
Der Begriff “Work-Life-Balance” ist (nicht nur) für Multitalente oft ein rotes Tuch. Er ist die Sau, die sprichwörtlich alle Jubeljahre wieder durch das Selbstoptimierungs-Dorf getrieben wird.
Ich persönlich mag den Ausdruck auch nicht so sehr, weil er verschiedene Dinge impliziert:
- Es ist erstrebenswert, dass Arbeit und Freizeit immer ausgewogen sind
- Es ist ein wackeliges Konstrukt: man verliert die Balance wenn man unaufmerksam ist
- Hast du keine gute Work-Life-Balance, läuft bei dir gründlich was schief
Aber was ist, wenn ich mehr Zeit mit Work als mit Life verbringe oder andersherum? Und wenn mir das sogar gefällt? Was ist, wenn ich meine Arbeit so sehr genieße, dass ich nicht so viel Freizeit brauche, um in Balance zu sein? Und was ist, wenn ich keine Wahl habe, weil ich entweder arbeitslos bin oder meinen 40-Stunden-plus-Überstunden-Job brauche, um meine Miete zu bezahlen und meine Familie zu ernähren?
Du siehst, ich habe ein etwas schwieriges Verhältnis zur Work-Life-Balance. Besonders, da diverse Gurus aus der Selbstoptimierungs-Persönlichkeitsentwicklungs-Bubble diesen Zustand als das Himmelreich der Berufstätigen propagieren.
Schlussendlich ist Work-Life-Balance jedoch nur ein Konstrukt. Und es ist ein dehnbares Konstrukt, das ich mir so gestalten kann wie meine Lieblings-Leseecke. Denn ich allein muss mich darin wohlfühlen, niemand sonst.
Was Work-Life-Balance für mich als Multitalent bedeutet
Ich habe die Freiheit, selbst zu definieren was ich als Arbeit empfinde. Wenn mir mein Job oder meine Selbständigkeit super viel Spaß macht, empfinde ich es nicht als “harte Arbeit”. Dafür können private Projekte, zu denen ich mich habe hinreißen (oder überreden) lassen, sich durchaus wie Arbeit anfühlen: “du kannst doch so toll stricken! Würdest du mir ein paar Kuschelsocken für meine kalten Füße stricken… biiiiitttttteeeee!”
Und wir wären keine Multitalente, wenn wir uns nicht unseren vielfältigen Interessen hingeben würden. Wenn ich nun aber gärtnere, stricke, male, schwimme, Workshops gebe und ehrenamtlich für ältere Menschen einkaufe, dann kann das Management meiner vielen Tätigkeiten herausfordernd sein. Damit ich dabei nicht ausbrenne oder mich heillos verzettele, brauche ich eine gute Balance. Deshalb möchte ich hier eigentlich nicht von Work-Life-Balance, sondern lieber von Multi-Life-Balance sprechen.
Multitalente und Work-Life-Balance: Wunsch trifft Wirklichkeit
Wenn wir Multitalente nicht gut auf unsere Energie achtgeben, laufen wir schnell Gefahr, dass unsere Akkus leer laufen. Wir fühlen uns dann erschöpft, selbst wenn wir viele Dinge getan haben, die uns Spaß machen.
Oftmals neigen wir dazu, uns zu viel aufzuhalsen und als People-Pleaser wollen wir niemanden enttäuschen. Also sagen wir viel zu oft “JA”, obwohl wir in der Sekunde wo wir das aussprechen schon nicht wissen, wie wir ein weiteres Projekt überhaupt unterkriegen sollen.
Wie kannst du diesem Teufelskreis entkommen?
- Lege dir ein gutes Zeitmanagement zu: Verplane nie mehr als 2/3 deiner Zeit, der Rest ist für Unvorhergesehenes und als Puffer “Wenn’s mal wieder länger dauert”.
- Kenne dich selbst: was gibt dir Energie, was raubt dir Energie? Wieviel Ruhe und Action brauchst du, damit es dir gut geht?
- Prioritäten setzen ist der Schlüssel: Entscheide täglich neu, was heute Priorität hat. Alles andere sitzt brav auf der Ersatzbank und wartet, bis es dran ist.
Ist effektives Zeitmanagement das Wundermittel?
Klare Antwort: Jein. Zeit kannst du nur bedingt managen. Dein Tag hat 24 Stunden, egal wie du es drehst und wendest. Aber du kannst klug entscheiden, wie du diese Zeit füllen möchtest. Das hat mit Effizienz zu tun, also damit Überflüssiges zu streichen – und damit Prioritäten zu setzen.
Besonders wenn du als Multitalent deine vielen Interessen unter einen Hut bringen willst, kommst du um ein gutes Zeitmanagement nicht herum.
“Aber ich kann mich nicht entscheiden, was ich machen will!” höre ich dich jetzt widersprechen. Und genau da liegt der Prioritäten-Hund begraben. Ich kenne das sehr gut: FOMO, die Angst etwas zu verpassen. Als Kind hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich nur EIN Kuscheltier mit ins Bett genommen habe. Die anderen Kuscheltiere fühlen sich bestimmt vernachlässigt. Deine Hobbies, Projekte und Interessen haben jedoch keine eigenen Gefühle und sie wollen auch nicht alle gleichzeitig umgesetzt werden.
Vielleicht hilft es dir zu erkennen, dass eine Entscheidung FÜR ein bestimmtes Projekt nicht automatisch eine Entscheidung GEGEN ein anderes ist. Deine Ideen sind geduldig und wollen lieber nacheinander umgesetzt werden als gar nicht.
Deshalb: sei mutig! Triff eine Entscheidung, JETZT mit EINEM Projekt anzufangen. Was ist gerade am wichtigsten und dringendsten? Wenn die Tomaten in deinem Garten reif sind, müssen sie vor dem nächsten Regen gepflückt werden. Da passt kein Renovierungsprojekt dazwischen. Es liegt gerade nichts Wichtiges an? Super, dann beginne mit der Tätigkeit, bei der dein Herz vor Vorfreude hüpft.
Verplane wie oben geschrieben nur 2/3 deiner freien Zeit. In der Regel ist der Puffer schnell aufgebraucht, weil jemand anruft, deine Hilfe braucht, mal quatschen will oder nicht in die Pötte kommt. Solltest du unerwartet freie Zeit übrig haben, freu dich und such dir ein “zwischendurch” Projekt, wo du immer mal ein paar Minuten dran werkeln kannst. Oder leg einfach mal die Füße hoch und gönn dir einen Kaffee und eine Folge deiner Lieblingsserie.
Die Suche nach dem Heiligen Balance-Gral
Wenn du losziehst um mehr Ausgeglichenheit in dein Leben zu holen, verlauf dich bitte nicht bei der Suche nach dem Balance-Kelch des Lebens. Du kannst stundenlang das Internet durchforsten nach Tipps für eine perfekte Work-Life-Balance für Multitalente. Du wirst von 10 Experten ungefähr 53 Meinungen bekommen. Du wirst dich irgendwann fragen, warum zum Geier du eigentlich überhaupt was ändern solltest in deinem Leben. Bis dir wieder einfällt, dass du dich oft so ausgelaugt fühlst und keinen Bock hast auf Burnout.
Als hochsensibles Multitalent hast du ein paar Herausforderungen zu meistern, um dein Ziel der Ausgeglichenheit zu erreichen. Neben Zeitmanagement, Energiemanagement und Priorisierung jonglierst du ja auch noch mit Ideenfeuerwerk, Fokus, Achtsamkeit und Grenzen. Ganz schön viele Bälle, findest du nicht?
Wie Multitalente durch das Wellenmeer der Work-Life-Balance navigieren
- Grenzen setzen: Weil du dich in so viele Themen schnell reindenken kannst und du so viele Fähigkeiten hast, fällt es dir vielleicht oft schwer, Nein zu sagen. Die Frage “Kannst du…” beantwortest du fast immer mit “ja klar, kann ich”. Das kann jedoch zu einer Überlastung führen, wenn du zu viele Verpflichtungen übernimmst.
Deshalb lerne, liebevoll Nein zu sagen. Erkenne deine Grenzen und kommuniziere sie. Ein Nein zu einer Aufgabe oder einem Termin ist immer ein Ja zu dir und deinem Wohlbefinden.
Es ist wichtig, dass du lernst, Anfragen freundlich abzulehnen, wenn sie nicht zu deinen Prioritäten passen. Wenn du deine eigenen Bedürfnisse und Ziele kennst und diese selbstbewusst an erste Stelle setzt, läufst du weniger Gefahr, dich zu übernehmen. - Selbstfürsorge: Als Multitalent neigst du tendenziell dazu, deine eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen, wenn du dich vollkommen auf deine Projekte konzentrierst. Das kann zu Erschöpfung und Burnout führen. Deshalb ist es wirklich wichtig, dass du bewusst Zeit für Selbstfürsorge einplanst.
Dazu gehört, Aktivitäten einzuplanen, die dein Wohlbefinden fördern. Das kann Sport, Meditation oder Hobbys sein, wo du komplett abschalten kannst. Suche dir deine Energietankstellen im Alltag, wo du Kraft sammelst. - Fokus und Vertiefung: Deine Neigung, dich deinen vielseitigen Interessen hinzugeben, kann dazu führen, dass du dich verzettelst und Schwierigkeiten hast, deinen Fokus zu halten.
Den Fokus zu halten bedeutet nicht, dass du deine Vielseitigkeit aufgeben musst, sondern dass du bewusst entscheidest, worauf du dich in einem bestimmten Zeitraum konzentrieren möchtest. Setze dir dafür kleine, klare und erreichbare Ziele, auf die du hinarbeitest.
Müssen Multitalente den Drahtseilakt der Work-Life-Balance überhaupt meistern?
Müssen tust du erstmal gar nichts. Es geht hier nicht darum, dir einzureden, dass du eine super Work-Life-Balance hinkriegen musst, weil du sonst versagt hast. Sondern wie ich eingangs schrieb, geht es mir darum dir zu zeigen, wie du deine Multi-Life-Balance üben kannst.
Mit den Strategien, die ich dir aufgezeigt habe, kannst du aus der Überforderung in die Ausgeglichenheit kommen. Setz dich bitte nicht unter Druck, niemand verlangt von dir Perfektion. Du willst weniger Stress und weniger Erschöpfung spüren – das ist dein Ziel, das du nicht aus den Augen verlieren solltest. Ich gebe dir hier nur Hinweise, wie du dort hingelangen kannst.
Ob du dir eine Morgenroutine erstellst, ob du etwas an deinen Aktivitäten änderst oder ob du weniger arbeitest, bleibt komplett dir überlassen. Probier einfach mal aus, was dich anspricht und teste die Veränderung. Nichts ist in Stein gemeißelt, du darfst es jederzeit ändern und eine andere Strategie testen.
Identifiziere deine Energievampire und Energietankstellen
Wenn du einen Schritt weiter gehen möchtest, dann schau dir doch mal genau an, welche Energievampire dir im Alltag Kraft aussaugen und in welchen Orten oder Aktivitäten du deine Energietankstellen findest. Anschließend kannst du dir Wege überlegen, um weniger Vampire und mehr Tankstellen in deinem Alltag zu haben.
Die genaue Anleitung dazu findest du in meinem kostenlosen Workbook, das du dir hier herunterladen kannst.
Die 5 wichtigsten Punkte für eine gelungene Multi-Life-Balance
- Effektives Zeitmanagement ist unerlässlich: Du kannst lernen, deine Zeit geschickt zu managen, um deine verschiedenen Interessen und Aufgaben unter einen Hut zu bekommen. Prioritäten setzen hilft dir dabei, den Überblick zu behalten und dich nicht zu verzetteln.
- Setze klare Grenzen: Es ist wichtig, dass du lernst, auch mal Nein zu sagen. Das Setzen von Grenzen ist entscheidend, um nicht in die Falle der Überlastung zu tappen. Du musst deine Energie weise einsetzen, um langfristig erfolgreich zu sein.
- Selbstfürsorge ist ein Muss: Vernachlässige deine eigenen Bedürfnisse nicht. Nimm dir bewusst Zeit für Aktivitäten, die dir guttun und dein Wohlbefinden fördern. Das ist kein Luxus, sondern gelebte Selbstliebe.
- Fokussiere dich: Auch wenn du viele Interessen hast, ist es manchmal sinnvoll, dich zu fokussieren. So kannst du dich tiefer in Themen einarbeiten und vermeidest es, oberflächlich zu bleiben.
- Persönliches Wachstum: Eine gute Work-Life-Balance hilft dir nicht nur, Burnout zu vermeiden, sondern unterstützt auch dein persönliches Wachstum und die Entfaltung deiner Talente.
